Ernährung während einer Krebserkrankung
Die Diagnose Krebs ist nicht nur eine emotionale Herausforderung, sondern bringt auch vielfältige Veränderungen im täglichen Leben mit sich. Einer der wesentlichen Aspekte, die bei einer Krebserkrankung berücksichtigt werden sollten, ist die Ernährung. Wir orientieren uns dabei an wissenschaftlich fundierten Leitlinien wie dem Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP) sowie der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) in Kooperation mit verschiedenen Fachgesellschaften. In diesem Blogartikel möchten wir einen Überblick über die Bedeutung einer angepassten Ernährung während einer Krebserkrankung geben.
Hintergrund: Gewichtsverlust und Muskelmasseabbau
Ein oft übersehener Aspekt bei Krebspatient*innen ist der Gewichtsverlust, der bereits vor der Diagnosestellung beginnen kann und sich während der Erkrankung fortsetzt. In einigen Fällen wird sogar von Kachexie gesprochen, wenn nicht nur Gewicht, sondern auch Muskelmasse abgebaut wird. Eine gezielte Ernährung kann dazu beitragen, diesen Verlust zu verhindern oder zu minimieren.
Die Rolle der Ernährung in der Krebstherapie
Es ist wichtig zu betonen, dass Ernährung allein einen bestehenden Tumor nicht direkt beeinflussen oder heilen kann. Dennoch kann eine angepasste Ernährung in jeder Phase der Erkrankung dazu beitragen, die Gesamtsituation des Körpers zu verbessern und die Wirkung medizinischer Therapien zu unterstützen.
Ziele einer angepassten Ernährung:
- Verbesserung der Therapieerfolge: Eine ausreichende Energie- und Nährstoffversorgung trägt dazu bei, dass Therapien erfolgreicher durchgeführt werden können.
- Stärkung des Immunsystems: Gesunde Ernährung und körperliche Aktivität fördern das Immunsystem, was während einer Krebserkrankung von entscheidender Bedeutung ist.
- Linderung von Beschwerden: Eine angepasste Ernährung kann dazu beitragen, verschiedene Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Geschmacksveränderungen, Schluckbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen zu lindern.
Empfehlungen für eine angepasste Ernährung
Die Ernährungsempfehlungen richten sich nach der individuellen Situation de Patient*innen. Kalorienreiche Lebensmittel sind besonders wichtig für Patient*innen, die ungewollt an Gewicht verlieren. Das Hauptziel besteht darin, den Körper mit ausreichend Energie und Nährstoffen zu versorgen, um Therapieerfolge zu unterstützen, das Immunsystem zu stärken und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.
Keine „Krebsdiäten“
Die aktuelle Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) betont, dass sogenannte „Krebsdiäten“, die die Nahrungsaufnahme einschränken, vermieden werden sollten. Eine ausreichende Energie- und Nährstoffversorgung ist entscheidend, um möglichen Nebenwirkungen von Therapien entgegenzuwirken.
Gewichtsverlust und Mangelernährung sind häufige Begleiterscheinungen einer Krebserkrankung und können die Lebensqualität und die Effektivität von Therapien beeinträchtigen. Selbst ein geringer Gewichtsverlust kann schwerwiegende Folgen haben. Daher ist es wichtig, rechtzeitig gegenzusteuern und eine ausreichende Zufuhr von Energie, Eiweiß und anderen Nährstoffen sicherzustellen.
Ursachen für Gewichtsverlust:
- Höherer Energieverbrauch: Der Tumor, Entzündungen und Stoffwechselveränderungen führen zu einem erhöhten Energieverbrauch, während das Hungergefühl abnehmen kann.
- Veränderter Stoffwechsel: Muskeln und Fettmasse werden schneller abgebaut, was die Muskelkraft beeinträchtigen kann.
- Verminderte Nahrungsaufnahme: Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Geschmacksveränderungen, Schluckbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen können die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen.
- Radikale Ernährungsumstellungen: Absichtliche, drastische Ernährungsumstellungen können zu gefährlichem Gewichtsverlust führen.
Bedeutung von Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett
Kohlenhydrate:
- Quellen: Getreideprodukten wie Brot, Nudeln, Reis und Mehl
- Empfehlung: mindestens 30 g Ballaststoffe aus Vollkornprodukten, Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst pro Tag aufzunehmen.
Eiweiß:
- Grundstruktur von Muskeln, Knochen, Organen, Hormonen und Immunzellen.
- Empfehlung: Vermehrte Zufuhr während einer Tumorerkrankung (1,2-1,5 g/kg KG).
- Quellen: Fleisch, Fisch, Ei, Milchprodukte, Getreide, Kartoffeln, Soja, Hülsenfrüchte.
Fett:
- Energiereichster Hauptnährstoff, lebensnotwendig für verschiedene Körperfunktionen.
- Empfehlung: Mindestens 35% der Gesamtenergiezufuhr.
- Quellen: Pflanzliche Öle, Nüsse, fette Fische, fetthaltige Milchprodukte.
Ernährung nach einer Krebserkrankung: 10 Regeln einer vollwertigen Ernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt klare Empfehlungen für eine vollwertige Ernährung nach einer Krebserkrankung:
- Lebensmittelvielfalt genießen: Abwechslungsreiche, überwiegend pflanzliche Ernährung.
- Gemüse und Obst – nimm „5 pro Tag“: Mindestens 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst täglich.
- Vollkorn wählen: Vollkornprodukte für eine gesunde Verdauung.
- Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen: Milchprodukte, Fisch, begrenzte Fleischmenge.
- Gesundheitsfördernde Fette nutzen: Pflanzliche Öle bevorzugen, versteckte Fette vermeiden.
- Zucker und Salz einsparen: Vermeidung von gesüßten Lebensmitteln, sparsamer Einsatz von Zucker und Salz.
- Am besten Wasser trinken: Rund 1,5 Liter Wasser oder kalorienfreie Getränke täglich.
- Schonend zubereiten: Garen mit wenig Wasser und Fett, Vermeidung von Verbrennungen.
- Achtsam essen und genießen: Pausen für Mahlzeiten, Zeit zum Essen nehmen.
- Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben: Vollwertige Ernährung und körperliche Aktivität als Einheit.
Die Bedeutung einer angepassten Ernährung während und nach einer Krebserkrankung darf nicht unterschätzt werden. Durch die gezielte Zufuhr von Energie und Nährstoffen kann nicht nur der Gewichtsverlust verhindert werden, sondern auch die Lebensqualität, die Verträglichkeit von Therapien und die Prognose positiv beeinflusst werden. Es ist wichtig, sich individuell beraten zu lassen und die Ernährung den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen.
Quellen:
- Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE, https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/dge-ernaehrungsempfehlungen/10-regeln/
- Klinische Ernährung in der Onkologie https://www.dgem.de/sites/default/files/PDFs/Leitlinien/S3-Leitlinien/073-006l_S3_Klin_Ern%C3%A4hrung_in_der_Onkologie_2015-10.pdf
- Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis https://www.dge.de/fileadmin/dok/gesunde-ernaehrung/diaetetik/Hauner-H-2019-Leitfaden-Ernaehrungstherapie-in-Klinik-und-Praxis-LEKuP_02.pdf
Autorin: Anna Schmitz, Ernährungswissenschaftlerin