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Basische Ernährung bei Krebs: Ein Mythos unter der Lupe

Eine basische Ernährung fokussiert sich auf Lebensmittel, die im Körper basisch verstoffwechselt werden. Ziel ist es, den Säure-Basen-Haushalt zu harmonisieren und eine Übersäuerung zu vermeiden. Hierbei stehen vor allem pflanzliche und unverarbeitete Lebensmittel im Vordergrund .Die Idee, dass eine basische Ernährung Krebs verhindern oder gar heilen könnte, hält sich hartnäckig. Sie basiert auf der Annahme, dass Krebs in einer „sauren“ Umgebung gedeiht und durch eine „basische“ Ernährung ausgehungert werden könne. Doch diese Theorie hält wissenschaftlicher Überprüfung nicht stand. In diesem Artikel klären wir die Fakten und beleuchten, warum der Körper und Tumore komplexer funktionieren, als diese vereinfachte Erklärung suggeriert.


Was steckt hinter der Theorie?

Die Hypothese geht davon aus, dass der pH-Wert des Körpers über die Ernährung beeinflusst werden kann. Ziel ist es, den Körper „basisch“ zu machen, da Krebs – nach Auffassung der Theorie von basischer Ernährung- nur in einem „sauren“ Milieu wachsen könne. Doch diese Annahme basiert auf Missverständnissen und einer Fehlinterpretation von wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Warum die Theorie falsch ist

1. Der Körper reguliert seinen pH-Wert selbst

Der menschliche Körper verfügt über hochwirksame Puffersysteme, die den pH-Wert konstant halten, unabhängig von der Ernährung. Organe wie die Haut (leicht sauer) oder der Magen (stark sauer) brauchen bestimmte pH-Werte, um richtig funktionieren zu können. Eine „basische“ Ernährung kann daran nichts ändern.

2. Puffersysteme sorgen für Stabilität

Wichtige Organe wie die Lunge, Nieren und das Blut regulieren den pH-Wert im Körper sehr präzise. Schwankungen im Blut-pH-Wert (normalerweise zwischen 7,35 und 7,45) würden zu schweren Gesundheitsproblemen führen – etwas, was der Körper unter allen Umständen zu vermeiden versucht.

3. Tumore schaffen ihr eigenes Milieu

Der deutsche Biochemiker Otto Warburg hat bereits in den 1920er Jahren herausgefunden, dass Tumore eine hohe Menge an Glukose (Zucker) verbrauchen und diese in Laktat (Milchsäure) umwandeln – ein Prozess, der als „Warburg-Effekt“ bekannt ist. Der Warburg-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Krebszellen hauptsächlich durch anaerobe Glykolyse Energie gewinnen, selbst wenn ausreichend Sauerstoff vorhanden ist. Im Gegensatz zu gesunden Zellen, die unter Sauerstoffzufuhr effizient Energie in den Mitochondrien durch die oxidative Phosphorylierung erzeugen, wandeln Krebszellen Glukose bevorzugt in Laktat um.

Hintergrund der Glykolyse

Die Glykolyse ist ein universeller Stoffwechselweg, den nahezu alle Organismen gemeinsam haben, was auf eine sehr frühe evolutionäre Entstehung hindeutet. Vermutlich entwickelte sie sich bereits vor 3,5 Milliarden Jahren in den ersten Prokaryoten.

Als zentraler Bestandteil des Zellstoffwechsels dient die Glykolyse der Verwertung von Kohlenhydraten und deren Abbauprodukten, die an verschiedenen Punkten in diesen katabolen Prozess eintreten.

Die Reaktion findet im Zytosol der Zelle sowohl unter anaeroben als auch aeroben Bedingungen statt, wobei Glukose schrittweise zu Pyruvat abgebaut wird. In anaeroben Organismen sowie in Zellen oder Geweben mit vorwiegend anaerober Energiegewinnung wird Pyruvat weiter zu Milchsäure (bei Hefen zu Ethanol) umgewandelt. In aeroben Organismen hingegen wird Pyruvat über den Citratzyklus und die nachfolgende Atmungskette zu CO₂ abgebaut. Dabei entstehen die meisten Reduktionsäquivalente sowie ATP durch oxidative Phosphorylierung.

Energiegewinnung in gesunden Zellen vs. Krebszellen ( Warburg-Effekt)

Warum tun das Krebszellen?

Der Warburg-Effekt gibt Krebszellen einen Überlebensvorteil, indem er:

  • Schnell Energie und wichtige Bausteine für Wachstum liefert
  • In einer sauren, sauerstoffarmen Umgebung funktioniert
  • Das Immunsystem schwächt und das Überleben in stressigen Bedingungen ermöglicht

Wissenschaftliche Fakten vs. Ernährungshype

Eine gesunde und ausgewogene Ernährung spielt natürlich eine wichtige Rolle in der Prävention und Therapie von Krankheiten. Allerdings lässt sich der pH-Wert des Körpers durch die Ernährung nicht maßgeblich verändern. Stattdessen sollte der Fokus auf einer Ernährung liegen, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten ist – nicht, um den Körper „basisch“ zu machen, sondern um die allgemeine Gesundheit zu fördern. Lediglich Refluxpatient*innen können von der Vermeidung säurehaltiger Lebensmittel profitieren.

Ein Beispiel für eine populäre basische Ernährungsform bei Krebs ist die Alkaline-Diät, welche überwiegend „basische“ und nur wenige „saure“ Lebensmittel beeinhaltet. Schon das Wort „Diät“ deutet auf eine eingeschränkte Zufuhr an Nährstoffen hin, was bei einer Erkrankung wir Krebs unbedingt zu vermeiden ist. Neben der Tatsache, dass bisher keine kontrollierten, klinischen Studien einen messbaren Vorteil durch eine basische Ernährung ergeben, kann die Alkaline Diät zu einer Mangelernährung führen, da sie bestimmte Kombinationen von Lebensmittelgruppen wie z.B. Protein und Fett nicht zulässt. Unter anderem aus diesem Grund ist eine professionelle, fachliche Begleitung nötig, um insbesondere einem Eiweißmangel vorzubeugen.

Quellen:

  • Erickson N., Schaller N., Berling-Ernst A., Berzt H.: Ernährungpraxis Onkologie. Behandlungsalgorithmen, Interventions-Checklisten, Beratungsempfehlungen. Schattauer-Verlag.
  • Rehner G., Daniel H.: Biochemie der Ernährung, Spektrumverlag, 2. Auflage.
  • Kasper H.: Ernährungsmedizin und Diätetik, Urban und Fischer Verlag, 10. Auflage.
  • DocCheck Flexikon: https://flexikon.doccheck.com/de/Glykolyse 19.02.2025

Autorin: Anna Schmitz, Ernährungswissenschaftlerin